Theodor Kramer ist ein vergessener Dichter. Kennen gelernt habe ich den österreichischen Schriftsteller über die Liedermacherszene. Sowohl das Duo Zupfgeigenhansel als auch der Liedermacher Heinz-Eckart Wenzel und in jüngster Zeit Heike Kellermann und Wolfgang Rieck vertonten Kramers Gedichte. Kramer wurde 1897 in Niederösterreich geboren und starb 1958 in Wien. Er schuf mehr als 10.000 Gedichte, die dem Leser durch ihre direkte, unromantische Sprache lange im Gedächtnis bleiben. Das Leben der einfachen Leute ist sein Thema, der Alltag, die kleinen Freuden in einem ansonsten oft beschwerlichen Leben. Beim Hören und leisen Aufsagen der Gedichte entstehen Bilder vor dem inneren Auge - was kann einem Poeten als Anerkennung schöneres widerfahren?

Eines meiner Lieblingsgedichte von Kramer wurde von Wenzel schon in den 80iger Jahren vertont.

"Ich möchte eine kleine Wirtschaft führen,

am Rand der Stadt schon, wo im Gartensand

die Bäume nicht den Staub der Straße spüren.

Für junge Leute, frisch und braungebrannt.

...

Man könnte kommen wie man ist, vom Stanzen,

und vom Büro, ist sauber nur der Zwilch,

und könnte Tango und auch Walzer tanzen, bei einem Sturzen Wein und auch bei Milch ..."

Ein Garten mit hohen Bäumen fällt mir dabei ein, laue Sommerabende, Sonne, die durch das Blattwerk scheint. Lachen, Singen und Gläserklirren. Ein behagliches kleines Leben mit einem bescheidenen, aber sehr tief empfundenen Glück. Theodor Kramers Leben selbst war nicht so glücklich. Er wurde im ersten Weltkrieg schwer verwundet und arbeitete in den zwanziger Jahren als Buchhändler. Seit 1931 dann lebte er als Schriftsteller, der ausschließlich Lyrik verfasste. Aufgrund seiner jüdischen Vorfahren musste er während des Nationalsozialismus aus Österreich fliehen und fand in London eine neue Heimat. Vielleicht ist es die leise Melancholie, das Bestreben Kramers, mit Poesie die Bitternis des Lebens zu verdrängen, die mich so anrührt in seinen Gedichten.

"Verbrannt ist mein Herz schon seit Jahren

Und sagst Du, Du wusstest es nicht,

so nimm Deine Hand aus den Haaren

und sieh mein verzücktes Gesicht.

Wenn alles Dir fehl ging,

zum Sieben Nichts da ist und niemand Dir schreibt,

dann lernst leicht auch Du, es zu lieben, wie der Nachtfrost die Blüten zerreibt."

Aus "Zur Baumblüte"

Ich würde mich freuen, wenn es gerade auch über die gekonnten Vertonungen oben genannter Musiker gelingen könnte, Kramers Lyrik auch im 21. Jahrhundert wieder den Platz einzuräumen, der ihr gehört.