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Isabel Allende: Eva Luna

Sie ist die Nichte Salvador Allendes. Auf die Idee für die heutige Kramkiste brachte mich ein Leser, der mich fragte, ob Isabel Allende mit dem 1973 ermordeten chilenischen Präsidenten verwandt ist. Diejenigen von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die den Roman "Das Geisterhaus", übrigens ihren ersten, gelesen haben, werden wissen, welch bedeutende Rolle die politischen Ereignisse in Chile für die südamerikanische Autorin spielen. Das hat sich auch in den nachfolgenden Büchern nicht geändert, sicher auch, weil in den meisten Ländern Südamerikas über Jahrzehnte ein Leben ohne Diktatur und politische Auseinandersetzungen nicht denkbar war und leider oft noch ist. "Eva Luna" ist der dritte, eher weniger besprochene, Roman der Autorin. Für meine Begriffe steht er den beiden vorangegangenen "Das Geisterhaus" und "Von Liebe und Schatten" in nichts nach.

Es ist die Lebensgeschichte einer jungen Frau in den ersten Jahren der Pinochet-Diktatur. Sie wächst bei ihrer Mutter auf, den Vater hat sie nie kennengelernt. Zunächst bleibt ihr jede Schulbildung versagt, ihr einziger Schatz sind die Geschichten, die sie im Radio hört. Dabei entdeckt sie auch ihr eigenes Talent. Sie ist selbst wie die Scheherezade aus Tausendundeinernacht. Wenn Eva Geschichten erzählt, vergisst sie Armut und Unzufriedenheit, verzaubert ihre und gleichzeitig die Welt ihrer Zuhörer. Und diese Welt der Zuhörer ist sehr bunt. Aus ihrer Anstellung als Dienstmädchen läuft sie weg, begegnet erstmalig dem Straßenjungen Huberto und landet im Rotlichtmilieu der Stadt. Dort lernt sie endlich Lesen und Schreiben. Nach einer Razzia rausgeflogen, geht sie mit dem arabischen Kaufmann Riad Halabi in dessen Dorf. Eigentlich will sie nichts weiter, als ihre Geschichten erzählen, aber durch die Menschen um sie herum wird sie in die politischen Auseinandersetzungen hineingezogen und beginnt auch, die Notwendigkeit des Widerstandes zu begreifen.

Das persönliche Schicksal einer einfachen, lebenslustigen Frau, verbunden mit den wechselvollen Geschicken des Landes Chile unter der Herrschaft Pinochets sind die Themen dieses Romans. Eva Luna selbst ist nicht nur so faszinierend wie Scheherezade, auch die Menschen die sie trifft, kommen aus allen Himmelsrichtungen. Da ist der chilenische Straßenjunge und spätere Guerillero Huberto, der in einer deutschen Kolonie aufgewachsene Dokumentarfilmer Rolf Carle oder der arabische Kaufmann.

Der Stil Allendes ist klar und gleichzeitig phantastisch unwirklich, so wie das wirkliche Leben und die Geschichten Evas sich ergänzen. An manchen Stellen erinnert das Buch an die großen Romane von Garcia Marquez, der Vorwurf des Abschreibens ließ auch nicht lange auf sich warten. Mag sein, dass dem an manchen Stellen so ist, aber liegt ein ähnlicher Stil bei gleicher Muttersprache und fast identischer Erlebniswelt nicht nahe? Meine Freude am Lesen war jedenfalls keineswegs durch die Nähe zu den Geschichten des großen Kolumbianers beeinträchtigt. Ich schlage Ihnen vor, liebe Leserinnen und Leser - urteilen Sie selbst.

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Copyright: Susanne Siems
Letzte Änderung: Juni 2006