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18. Oktober 2005, 2. Tag:

Geplant ist eine Wanderung von Haria nach Orzola. Poker an der Bushaltestelle - welche Zeiten stehen am Fahrplan? Eine Stunde spannungsvolles Warten, dann ein Bus, aber der fährt nach Orzola. Egal, wir fahren mit. Bis zur Haltestelle "Le Muelle" - die Mole. Zufällig ein Schiff da, Überfahrt zur Insel La Graciosa. Teuer (38 Euro), aber wunderbar, um die Nordspitze von Lanzarote rum und am Famara-Massiv entlang. Dann die Ankunft im Hafen des einzigen größeren Ortes auf der Insel - Caleta del Sebo. caletadelsebo (38K) Strahlende Sonne, Gluthitze, weiße einstöckige Häuser. bis auf den Hafen kein einziger Pflasterstein, überall nur Sand. Abends, auf dem Nachhauseweg, müde von so viel frischer Luft, strahlender Sonne und paradiesischer Natur, wird mir ein Vergleich mit Schnee einfallen: die gleiche, endlos eintönige Weite, das mühsame Stapfen durch etwas, was keinen richtigen Halt für die Füße bietet und die sich über allem ausbreitende gedämpfte Stille.

Jetzt im Augenblick der Ankunft nur die Frage: ist das Afrika? Wir beginnen zu laufen, immer am Strand entlang, rechterhand die vier Vulkane der Insel, linker Hand die Meerenge El Rio und am anderen Ufer das Famaramassiv. Weit das Sandmeer, zwischendurch dornenartiges Gestrüpp, wäre sicher gute Nahrung für ein paar Kamele. Dann verkriecht sich die Sonne hinter Wolken. Die Wolken klettern von den Vulkanen der Insel über das Wasser in das Famaragebirge. Leichter Sprühregen begleitet uns beim Baden, wie Nebel sieht es aus, wenn der Regen vor den Bergen ins Meer fällt. Und über allem liegt diese himmlische Ruhe. Immer weiter geht es an der Küste entlang, jede Bucht scheint verführerischer. strandtuerkis (27K) Mal ist es eine wild brandende Stelle, die lockt, mal die Farben des Wassers. Man scheint unversehens in einem Kitschfilm gelandet zu sein. Das Wasser wirklich helltürkis, der Sand wirklich golden. Und all das hat man für sich ganz allein. Wie großzügig sie doch sein kann - Mutter Erde. Wie großzügig, liebevoll und glückbringend, wenn man ihr genügend Luft zum Atmen gibt, sie nicht zwingt in Menschenwillen. Hier gibt es endlich mal wirklich kein Auto, nur das Meer und ein paar Vögel. Höchstens vereinzelte Wanderer, nicht störend, weil auch sie bestrebt, eins zu sein mit der Natur. Die Suche nach Einsamkeit verbindet uns ohne Worte. Auch mit "Halbstarken" kann Mutter Erde offensichtlich umgehen, denn warum sonst kommen nicht die ungeduldigen Fragen des Kindes nach lärmender Unterhaltung. Dass er allerdings nicht, wie seine Mutter davon träumt, auf dieser Insel ein halbes Jahr zu leben um einen Roman zu schreiben, ist auch verständlich.

Doch irgendwann hat auch das Paradies ein Ende, der Rückweg zur letzten Fähre muss angetreten werden. In der Hitze der Nachmittagssonne und den nassen und damit schwereren Badesachen im Gepäck ist das schon ganz schön mühsam. roquedeleste (26K) Am Hafen von Caleta del Sebo überkommt uns dann ein Riesenschreck - laut Infoblatt fährt die letzte Fähre nach Lanzarote 16.00 Uhr - unsere Uhren zeigen 17.00 Uhr - und sind richtig gestellt! Aber bei Nachfragen im Laden stellte sich heraus, dass die Fähre doch 18.00 Uhr übersetzt, in diesem Jahr erstmalig auch noch im Oktober. Man hat nur den gedruckten Fahrplan noch nicht geändert. Wo anders wäre das möglich? Und dennoch gibt es zu denken. Auch hierher kommen also die Touristen, und wir ja auch. Haben wir es wieder nicht gefunden, das letzte Paradies? Oder will uns die Insel einfach sagen, sieh, so kann es sein, aber es liegt an Dir selbst. Nicht der ferne Ort ist entscheidend, sondern die Ruhe in Dir, die Zeit, die Du Dir gibst, um bei Dir selbst anzukommen. Wie der viele Sand rieselen die Gedanken. Die Blicke jedoch bleiben von der Gegenwart gefangen. Ein Schauspiel das Entladen bei der Ankunft der Fähre im Hafen. Tausend Kisten, ein Bürostuhl, ein Piano kommen da zum Vorschein. Die Angehörigen bringen Laster und Schubkarren zum Hafen. Ja, wir träumen vom Paradies, aber auchdas muss letztendlich organisiert werden. Und wie weit sind wir wirklich noch weg von Ursprünglichkeit, wenn uns das Verpassen der Fähre so in Panik versetzten kann?

In Orzola gelandet, springen wir ins nächste Taxi nach Arrieta, langes Gesicht bei Christoph, weil ich eine Pizzeria entdeckt hatte und die nun ohne uns funktionieren muss. Aber der Tagesausklang im Restaurant "El Lago" direkt am Meer und den besten Mojo-Soßen, die wir bisher gegessen haben, ist auch sehr schön.

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Copyright: Susanne Siems
Letzte Änderung: Juni 2006